1. Können Sie sich noch an Ihre ersten Studientage erinnern – wie war Ihr erster Eindruck von der Universität Leipzig?

Die ersten Tage eines neuen Lebensabschnittes vergisst man selten, so auch den Beginn meines Studiums an der Universität Leipzig. Anfänglich war es ein starkes Unterfangen, da die Studierendenzahl von 180 jungen Frauen und Männern so manche Seminargruppeneinteilung und Hörsaalkapazität sprengte. Auch das gut durchgeplante Vorlesungsverzeichnis und die ersten Pflichtabgaben von Übungen fachfremder Grundvorlesungen ließen wenig Spielraum für Entspannung. Natürlich wollte niemand etwas verpassen, ob Führungen im damaligen Hauptgebäude der Alma Mater oder begrenzte Teilnahmeplätze begehrter Zusatzveranstaltungen, das Angebot für Studienanfänger war sehr attraktiv gestaltet. Unmittelbar nach Beginn des anorganischen Praktikums, damals noch in den ersten Tagen des Studiums, standen die ersten Antestate an. Doch gab es neben den vielen Lehr- und Pflichtveranstaltungen zahlreiche gesellige Momente, die von den hiesigen Studentenclubs und -vereinen organisiert wurden. So tauschte ein jeder seine täglichen Erfahrungen, Neuigkeiten, sowie Erfolge und Misserfolge aus. Schnell schloss man neue Freundschaften und begann unwissentlich sein Netzwerk für die spätere Karriere schon in den ersten Wochen aufzubauen.

2. Wenn Sie zurückblicken, wie würden Sie Ihr Studium kurz beschreiben?

Durch die Umstellung des Chemiestudiums von Diplom auf Bachelor und Master mussten wir als Studienanfänger schon zeitig beginnen, Credit Points zu sammeln, um nicht zurückzubleiben. Somit wurde jede Vorlesung mental zur Pflichtveranstaltung, um den enormen Ansprüchen an Wissen und zeitaufwendigen Praktika gerecht zu werden. Neben viel trockener Theorie hat sich der Großteil meiner Kommilitonen auf die wöchentliche Experimentalvorlesung gefreut, da nur dort die Chemie anschaulich und teilweise magisch wurde. Doch hatte ein jeder die schwierigste Hürde des Grundstudiums im Hinterkopf - nämlich Mathe und Physik - damals bekannt als Studiumskiller Nr. 1. Mit viel Druck und angenehmen Lerngruppen erreichte letztendlich ein Fünftel der damaligen Anfänger das Masterstudium. Jetzt konnten wir unsere Interessen in verschiedenen Wahlkursen vertiefen und den Weg für die spätere Karriere ebnen.

3. Haben Sie jemals an Ihrer Studienwahl gezweifelt? Wenn ja, wie sind Sie damit umgegangen?

Ich empfand das Bachelorstudium als sehr hart, habe aber letztendlich nicht an meiner Wahl gezweifelt. Durch das Masterstudium konnte ich nun die Vielseitigkeit der Chemie etwas eingrenzen und habe mich dem interessanten Gebiet der bioorganischen Chemie gänzlich widmen können. So war mir schnell klar, wenn man seine Ziele in kleinen Schritten erreichte, war Aufgeben keine Option, auch wenn mal eine Prüfung nicht bestanden wurde.

4. Welche Motivationen haben Ihre Studien- bzw. Berufswahl bestimmt?

Meine Studienwahl orientierte sich vorwiegend an dem, was man in der Schule bereits gut konnte. Natürlich habe ich mich im Vorfeld über andere Berufszweige, wie die Laufbahn bei der Bundeswehr oder dem Lehramt, informiert, und bin mit meiner jetzigen Wahl eines abgeschlossenen Chemiestudiums gänzlich zufrieden.

5. Was waren wichtige Stationen auf Ihrem beruflichen Weg?

Nach meinem Studium in Leipzig folgte die Promotion in Organischer Chemie an der Universität Hamburg. Anschließend ging es für mich und meine Familie als Post-Doc in die Vereinigten Staaten von Amerika. Die Chance zu zweit als Naturwissenschaftler eine Anstellung an der University of Wisconsin in Madison zu erhalten war großartig. Nach zwei interessanten Jahren mit vielen Erfahrungen und tollen Eindrücken ging es schnell in die Realität des Berufseinsteigers zurück. Die große Konkurrenz zahlreicher Promotionsabsolventen verschiedener Universitäten erschwerte ein erfolgreiches Bewerben zurück nach Deutschland enorm. Letztendlich fand ich nach ca. 100 erfolglosen Bewerbungen am neu eröffneten Fraunhofer Zentrum für chemisch-biotechnologischer Prozesse als wissenschaftlicher Projektleiter eine befristete Anstellung.

Nach zweijähriger Berufserfahrung und zahlreichen Referenzen auf dem Gebiet der organischen Prozesschemie arbeite ich nun für eine Firma als Synthesechemiker an Wirkstoffen in der präklinischen Phase in Kooperation mit dem Fraunhofer IZI-MWT und stelle mich den neuen Herausforderungen der medizinischen Chemie.

6. Wie sehr hat Ihr Studium Ihre jetzige berufliche Tätigkeit geprägt? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Ihrem Studium und Ihrer Tätigkeit? Können Sie noch Dinge aus Ihrem Studium nutzen?

Wenn ich zurückblicke, hat eher das Masterstudium meinen beruflichen Weg geprägt. Durch die Möglichkeit sich in verschiedenen Bereichen der Chemie zu spezialisieren, legte man zwar den Grundstein für die spätere Berufswahl, doch es gibt keine Garantie auch später auf diesem Gebiet den Traumjob zu finden. Es gehörte auch nach dem Studium viel Arbeit und starker Wille dazu, sich in Weiterbildungen wie Projektmanagement, Arbeitsschutz, GMP- Richtlinien und aktueller Gesetzgebung fortzubilden, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und den Anforderungen der Industrie gerecht zu werden. Zusammenfassend kann ich sagen, dass jede berufliche Station einen stetigen Lern- und Entwicklungsprozess sowie eigene fachliche als auch soziale Kompetenz erfordert.

7. Wie sieht ein typischer Arbeitstag in Ihrer jetzigen Position aus?

  • Laborarbeiten: Entwicklung effizienter Synthesestrategien zur Herstellung projektrelevanter Targets, Prozessierung, Optimierung und Upscaling von Substraten. Zeit- und Qualitätsmanagement von Auftragssynthesen.
  • Administrative Aufgaben: Erstellung von Zwischen- und Abschlussberichten, elektronische Dokumentation von Synthesedaten, Entwicklung von Synthesevorschriften, Arbeits- und Betriebsanweisungen.
  • Interne und externe Meetings mit Kooperationspartnern, Mitarbeitern interdisziplinärer Bereiche und Vorgesetzten.

8. Was sind die wichtigsten drei Kompetenzen in Ihrem Arbeitsalltag?

  • Fachwissen: In der organischen Synthese muss man auf ein fundiertes Fachwissen und spezielle Methoden zurückgreifen, um sein Syntheseziel effizient zu erreichen. Ein gutes Grundwissen in anderen Gebieten kann dabei nur von Vorteil sein, um die Gesamtheit eines komplexen Projektes oder einer Studie überblicken zu können.
  • Professionalität: Diszipliniertes Arbeiten und souveränes Auftreten sollte jede fachliche Kompetenz ergänzen.
  • Teamfähigkeit: Projekte in der industriellen/pharmazeutischen Chemie werden immer komplexer bzw. interdisziplinärer. Somit arbeitetet man mit vielen interessanten Menschen unterschiedlichster Erfahrungen und Wissen zusammen.

9. Wie gelingt Ihrer Meinung nach ein guter Berufseinstieg in Ihrer Branche (Einstiegswege, Bewerbungstipps, etc.)?

In den Naturwissenschaften ist die Anzahl hoch qualifizierter Absolventen leider um einiges höher als die Anzahl geeigneter Stellen. Darum kommt man in den meisten Fällen als Berufseinsteiger nicht um viele überregionale Bewerbungen herum. Eine erfolgreiche Bewerbung bedarf eines guten und fehlerfreien Motivationsschreibens und die Voraussetzung, dass man wirklich für die ausgeschriebene Stelle der oder die Richtige ist. Es bringt keinen Mehrwert, wenn man sich verstellt oder vorgibt jemand anderes zu sein. In meinen Bewerbungen habe ich großen Wert darauf gelegt, dass meine Stärken für das ausgeschriebene Profil hervorgehoben wurden. Ein ehrliches Interesse für eine ausgeschriebene Stelle auch bei fachfremden Branchen sollte zu jeder Zeit gegeben sein! So ist die Chance größer, nicht schon in der ersten Runde durch einen Personaler aussortiert zu werden. Alles andere, wie Erfahrungen und professionelles Auftreten, sollten im späteren persönlichen Bewerbungsgespräch überzeugend dargelegt werden. Man verkauft sich letztendlich besser, wenn man einfach nur authentisch ist.

10. Was würden Sie den heutigen Studienanfänger/innen mit auf den Weg geben?

Als Studieninteressent muss man sich bewusst sein, dass das Studium ein langer Weg mit Höhen und Tiefen ist. Jeder/jede sollte ein solides Maß an Disziplin, Durchhaltevermögen und Motivation mitbringen, um auch schwierige Zeiten erfolgreich zu durchlaufen. Genießt euer Chemiestudium in der studentenfreundlichen Stadt Leipzig und wägt zeitnah die vielfältigen Karrieremöglichkeiten ab. Ob Bachelor, Master oder Promotion, jeder muss für sich herausfinden, welcher Abschluss den individuellen Karrierezielen genügt.

Persönliche Angaben

  • Name: Dr. Maik Tretbar
  • Geburtsjahrgang: 1983
  • Studiengang: Chemie
  • Jahr der Immatrikulation: 2003
  • Jahr der Exmatrikulation: 2008 (anschließend Promotion an der Universität Hamburg)
  • Heutiger Arbeitgeber/Position: Immunic Research GmbH / Senior Synthesechemiker

(Interview Stand Mai 2017)