Unser Studienbotschafter Sebastian interessierte sich schon als Kind für Mathematik. Heute schreibt er an seiner Diplomarbeit und beschäftigt sich mit Funktionentheorie. Mit Rechnen im klassischen Sinne hat das nicht mehr viel zu tun. Die Uni hat sein Verständnis von Mathematik auf den Kopf gestellt.
Mathematik ist für mich wie eine Sprache, mit der man Probleme bewältigen kann. Man übersetzt Probleme aus dem Alltag mit Hilfe von Zahlen in eine vollkommen neue Form und kann sie so plötzlich lösen.
Studienbotschafter Sebastian, Mathematik Diplom
Mein Steckbrief
Mein Weg zum Studium
Mein Weg zum Studium war sehr geradlinig. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, etwas anderes zu machen. Klar, als Kind wollte ich mal einen Bus fahren, Schiffe bauen oder Bundeskanzler werden, aber als das Thema Zukunft etwas konkreter und meine Wünsche weniger wechselhaft wurden, habe ich den Entschluss zum Mathe-Studieren gefasst.
Meine Entscheidung für Mathematik
Für mich war schon in der Grundschule klar, dass ich mal was mit Mathe machen will, weil mir das Rechnen einfach irgendwie lag und Spaß gemacht hat. Und jetzt, wo ich weiß, wohin mathematische Überlegungen führen und für was sie tatsächlich gut sind, bin ich noch überzeugter als vor dem Studium, dass ich die richtige Wahl für mich getroffen habe.
Meine Entscheidung für Leipzig
Ich wollte in der Nähe meiner Heimat bleiben und an eine große Universität gehen. Da kamen nur Dresden und Leipzig in Frage. Da ich Leipzig einfach moderner und belebter finde, habe ich hier angefangen, zu studieren.
Mathematik – das ist für mich
Mathematik ist für mich wie eine Sprache, mit der man Probleme bewältigen kann. Man übersetzt Probleme aus dem Alltag mit Hilfe von Zahlen in eine vollkommen neue Form und kann sie so plötzlich lösen. Anschließend übersetzt man seine Erkenntnisse zurück und hat das Ergebnis. Zu lernen, wie genau dieser komplexe Vorgang funktioniert, ist für mich absolut faszinierend.
Am spannendsten fand ich bisher
Ich finde vor allem Analysis und Numerik interessant. In Analysis behandelt man unter anderem Funktionen. Diese sind unfassbar wichtig in der Mathematik und für mich persönlich leichter zu verstehen als anderes. Die Numerik greift das Thema der Funktionen auf und man lernt teils auch praktisch angewandte Algorithmen wie das Newton-Verfahren, mit denen man Funktionen aufstellen und Eigenschaften dieser berechnen kann. Die Numerik ist also eine Art Bindeglied zwischen der formellen Sprache der Mathematik und der Praxis.
So hat sich mein Bild von Mathematik geändert
Es gibt dieses Bild, dass man für ein Mathestudium einen IQ von 150 braucht. Das ist definitiv nicht wahr. Zwar versteht man anfangs nur sehr wenig, das ist aber komplett normal und geht fast allen Leuten so, selbst wenn es einem anders vorkommt. Außerdem denken viele, dass man in Mathe nichts auswendig lernen muss (dachte ich auch), was nicht ganz richtig ist.
Voraussetzungen, die ich erfüllt habe
Einen bestimmten Abischnitt benötigt man nicht, da Mathe in Leipzig zulassungsfrei ist, sprich keinen NC hat. Man sollte jedoch schon halbwegs gut rechnen können, Integrale, Ableitungen sowie Vektoren verstanden haben und natürlich Interesse am Fach mitbringen. Aber keine Angst: Viel wird wiederholt bzw. ganz anders neu aufgegriffen als in der Schule. Zusätzlich hilft es, wenn man Bekanntes schnell auf ähnliche Sachverhalte übertragen sowie logisch denken kann. Das alles trainiert man aber innerhalb des Studiums auch. Und ganz wichtig: Man wird sehr viel nicht selbst lösen können und sollte kein Problem damit haben, sich in Übungsgruppen zusammenzutun, da man sonst viel zu lange braucht oder gar nicht fertig wird.
So wohne ich
Ich habe mich für das große Studentenwohnheim in der Straße des 18. Oktober entschieden, da das mehrere Vorteile bietet: Einmal ist es preiswerter als eine eigene Wohnung und man muss sich nicht um die Möblierung kümmern. Zudem sind Wasser, Strom und Internet im Preis dabei und man hat einen Hausmeister, der sich bei Problemen kümmert. Bei diesem Wohnheim hat man noch den Bonus, dass es nahe am Zentrum ist.
So finanziere ich mich
Ich finanziere mich hauptsächlich über BAföG. Natürlich gibt die Oma auch gerne mal was dazu für die Zugfahrten und meine Eltern unterstützen mich, wenn ich wieder mal den Antrag zu spät eingereicht habe und sich die Zahlung verzögert, aber ohne BAföG könnte ich kaum studieren. Mittlerweile habe ich auch private Nachhilfen und meinen Nebenjob als Studienbotschafter, aber das alleine könnte mich nicht über Wasser halten. Vor allem anfangs hätte ich einfach keine Zeit für einen Teilzeitjob gehabt, da ich 100 % der Zeit fürs Lernen brauchte. Deshalb der Tipp von mir: Probiert es! Viel zu viele beantragen BAföG gar nicht, obwohl sie welches bekommen könnten und belasten damit nicht nur sich, sondern auch die Leistungen in der Uni und eventuell sogar die Eltern.
So hat sich mein Alltag durch das Studium verändert
Mein Alltag hat sich sehr stark verändert, würde ich sagen. In der Schule hatte ich meistens nachmittags frei. Das fällt am Anfang des Studiums erst einmal weg. Man trifft sich eher abends mit Freunden, kann dafür in der Regel aber länger schlafen als früher. Man macht auch tatsächlich öfter mal sauber und geht regelmäßig einkaufen, was als Schüler für mich undenkbar war. Cool ist aber, dass man sich seine Zeit selbst einteilen kann. Habe ich mal keine Lust auf Uni? Dann bleib ich halt mal heute daheim! Am Wochenende habe ich dafür vielleicht mal mehr Zeit und hole den Stoff nach.
So viel Zeit verbringe ich mit dem Studium
In den ersten Semestern stand in Mathe das Aufgabenbearbeiten an erster Stelle. Das hat pro Woche gut und gerne zwanzig Stunden oder manchmal mehr in Anspruch genommen. Nochmal so viel Zeit saß ich in der Uni. Aber keine Sorge: Das Feiern kam deshalb nur manchmal zu kurz. Im späteren Studium läuft das ähnlich ab, aber der Druck durch die Aufgaben lässt nach und man beschäftigt sich intensiver und individueller mit den einzelnen Themenbereichen. Noch etwas: Es gibt Profs, die sagen, dass man pro Woche 60 bis 70 Stunden für die Uni aufwenden muss, was in meinen Augen unrealistisch ist. Ein gesundes Arbeitspensum ist zwar wichtig, aber macht euch nicht verrückt wie ich in den ersten Jahren. Zu viel Stress tut nicht gut und hilft euch nicht.
So habe ich Leute kennengelernt
Im sogenannten „offenen Matheraum“, wo Mathe-Neulingen mit dem Lösen von Aufgaben geholfen wird, schließt man schnell und einfach Kontakte. Denn jeder hat zu Beginn Probleme, die Aufgaben zu lösen und sucht dort nach Leidensgefährten. Später dann habe ich über Freunde aus meiner Heimat automatisch mehr Leute kennengelernt.
So lerne ich
Mein Lernstil hat sich öfter verändert im Laufe des Studiums. Anfangs habe ich besser mit anderen zusammengearbeitet und den Meinungsaustausch geschätzt. Es kann sehr helfen, schwierige Sachen zu verstehen, wenn man die Perspektiven der anderen hört. Später habe ich häufig ‚im stillen Kämmerchen‘ daheim gelernt. Gerade zum Diplomarbeit-Schreiben bietet es sich allerdings an, in die Bibliothek zu gehen, um dort zu arbeiten.
Das ist eine Herausforderung für mich
In Mathematik muss man wöchentlich Aufgaben bearbeiten und abgeben, sogenannte ‚Serien‘, in denen man durchschnittlich mindestens 50 %, selten sogar 60 % aller Punkte erreichen muss. Die machen einen enormen Druck und nehmen sehr viel Zeit in Anspruch, vor allem, wenn man allein arbeitet. Die große Schwierigkeit besteht darin, dass man schon oft die Aufgabenstellung nicht versteht und der Hefter dann nur bedingt hilft. Tatsächlich heißt es hier aber: dranbleiben! Die Aufgaben testen das Durchhaltevermögen. Wer das erste Semester deswegen nicht abbricht, sondern sich durchbeißt, der wird sehr wahrscheinlich sein Studium gut abschließen. Das eigentliche Verständnis kommt erst in höheren Semestern. Sogar Profs geben zu, dass sie „einfache“ Sachen vom Anfang erst Jahre später verstanden hatten.
Damit habe ich nicht gerechnet
Also erstmal allgemein: Der größte Mythos übers Studieren ist, dass man den ganzen Tag faul rumhängt oder nur feiern geht. Das sind zwar essenzielle Bestandteile eines Studentendaseins, aber nur die halbe Wahrheit. Einen Großteil des Tages geht man zu Vorlesungen und Seminaren oder holt Stoff zu Hause bzw. in der Bibliothek nach. Der größte Mythos zum Mathestudium ist, dass man das alles im realen Leben nicht braucht und nichts Neues entwickelt. Tatsächlich lernen wir jedoch Dinge, die überall im Hintergrund ablaufen, ohne die bspw. keine Autos fahren, keine Radios empfangen werden und ohne die wir kein tieferes Verständnis für unsere Umwelt hätten entwickeln können. Mathematik ist eine der wichtigsten Wissenschaften und auch heute noch werden ständig neue Sachen entdeckt und Prozesse optimiert.
Das habe ich (über mich) gelernt
Ich habe während des Studiums meinen Ehrgeiz entdeckt, Dinge, die ich erst nicht verstehe, verstehen zu wollen. Wenn ich über ein mathematisches Problem stolpere, dann habe ich den Drang, mich hinzusetzen und das Problem zu lösen. Die wertvollste Lehre war aber, dass es sich lohnt, auch an schwierigen Problemen dranzubleiben und stur weiterzumachen, bis man ein Ergebnis hat, auch wenn es viel Zeit in Anspruch nimmt. Denn selbst wenn man das Rätsel am Ende nicht knackt, hat man viel bei diesem Versuch gelernt.
So hat mich das Studium verändert
Ich habe viel mehr Durchhaltevermögen und kann mich selbst organisieren, etwas, das ich in der Schule nicht konnte. Außerdem hat das Studium auf lange Sicht mein Selbstbewusstsein gestärkt. Vor allem jetzt, beim Schreiben der Diplomarbeit, fällt mir auf, was ich eigentlich alles gelernt habe und kann.
Das hätte ich gerne vorher gewusst
Dass es vollkommen in Ordnung ist, durch Klausuren durchzufallen oder eine schlechte Bewertung zu bekommen, Module zu wiederholen und die Regelstudienzeit nicht einzuhalten. Die Universität ist absolut nicht vergleichbar mit der Schule, weder bezüglich der Noten, noch der Erwartungen. Vorlesungen sollten nicht nur besucht werden, wenn sie auf dem Studienplan stehen, sondern auch, um mal über den Tellerrand hinauszuschauen. Es geht darum, Erfahrungen zu sammeln und nicht, stumpf einen Plan abzuarbeiten, auch wenn es dann länger dauert.
Ein Satz, den ich mir bei den schweren Aufgaben ganz oft eingeredet habe, war: „Du musst das doch irgendwie allein schaffen können.“ Macht bloß nicht den gleichen Fehler wie ich! Denn nein, das kann man oft nicht. Wenn man kein Ausnahmetalent ist, sind die sogenannten ‚Serien‘ (wöchentliche Aufgaben) teilweise richtig kompliziert. Versucht euch daran, aber macht euch nicht verrückt damit, dass ihr das alleine schaffen müsst. Setzt euch lieber mit anderen zusammen.
Diese beruflichen Perspektiven habe ich
Ganz einfach gesagt stehen mir fast alle Türen offen, und zwar nicht nur bei Banken und Versicherungen, sondern auch bei Logistikunternehmen, in der Automobilbranche, im Energiesektor, bei der Softwareentwicklung, in der Unternehmensberatung, in der chemischen Industrie und und und.
Diese beruflichen Erfahrungen habe ich bislang
Bisher habe ich keine, zumindest nicht in Unternehmen. Meine Erfahrungen beschränken sich auf private Nachhilfen und das Halten von Seminaren an der Uni als Tutor.
Das habe ich vor
Meine erste Anlaufstelle wird wahrscheinlich Porsche Leipzig sein oder ein Solarunternehmen in der Region.
Das würde ich heute anders machen, um das für mich passende Studienfach zu finden
Eigentlich würde ich nichts anders machen. Ich wusste, dass Mathe was für mich sein wird. Zwar haben mich die Methoden sehr überrascht und es war ganz anders als in der Schule, aber es war die richtige Entscheidung. Wenn ich nochmal zurückgehen könnte, würde ich mich aber besser informieren, was eigentlich auf mich zukommt.
Das hilft mir mit Herausforderungen des Studiums umzugehen
Hauptsächlich hilft mir das, was ich an der Uni gelernt habe. Im Mathematikstudium lernt man ja, wie mit schweren Problemen umgegangen werden muss und wie man sich selbst hilft; ein sehr wertvoller Skill wie ich finde.
Meine Tipps für euch
Wenn ihr am Anfang bei euren Klausuren miserabel abschneidet oder sogar durchfallt, ist das, so hart es klingt, total normal. Die Uni ist absolut nicht vergleichbar mit der Schule. Außerdem solltet ihr keine Angst haben vor Studienabbruchgedanken. Ein Professor meinte mal „Man hat nie wirklich Mathe studiert, wenn man im ersten Semester nicht mindestens siebenmal darüber nachgedacht hat, abzubrechen.“ Und das kann ich so bestätigen. Aber glaubt mir: Das wird besser!